Etwa jeder zehnte deutsche Jugendliche oder Erwachsene bekommt Antidepressiva verschrieben. Das sind derzeit ca. 7 Millionen Bundesbürger. [Wulf Bertram, 2023]
Jeder zweite davon erlebt nach längerer Einnahme Absetzungsyndrome beim Versuch, die Therapie wieder zu beenden. [Giovanni A. Fava, 2023] Die wenigsten Absetzungssymptome werden als solche von Medizinern erkannt.

Der rasante Anstieg der Verordnung von Psychopharmaka unter entsprechenden vehementen Marketingstrategien der Pharmaindustrie legt einen zunehmenden Anteil an Fehlverordnungen vor allem durch Psychiater und Hausärzte nahe. [Wulf Bertram, 2023]

Gerade bei Jugendlichen werden soziale und gesellschaftlich verursachte Problematiken inzwischen zunehmend zur Krankheit deklariert. Es werden plakative Modediagnosen teils von Lehrern, Eltern oder anderen Laien aufgrund von Internetwissen gestellt und diese von Hausärzten und selbst von Psychiatern unter Zeit- und Verkaufsdruck nur allzu gerne unhinterfragt übernehmen.

Oft bringen auch Therapeuten aller Art Betroffene erst auf die Idee, in einer schicken psychiatrischen Diagnose die Erklärung für alles Leidige und Unangenehme in ihrem Leben zu finden. Gerade negative Gefühlslagen oder unangenehm aufflammende Emotionen sind derzeit in unserer Gesellschaft nicht erwünscht und werden wie so oft in der Geschichte zu krankhaftem Empfinden und Verhalten erklärt, das es unbedingt von außen und am besten für die Helfer gewinnbringend zu korrigieren gilt. 

Viele Psychotherapeuten oder Psychiater erkennen viele der Wirkungen und Nebenwirkungen ihrer Verordnungen nicht und schicken ihre Patienten damit erstmal zum Hausarzt. 
Mir stellen sich vor allem zunehmnd jüngere Patienten mit Symptomen vor, die eindeutig auf die Einnahme von Psychopharmaka zurückzuführen sind, was aber so von niemandem erkannt und kommuniziert wird. Die Gründe für die Einnahme der Psychopharmaka sind für mich oft nicht nachvollziehbar und in immer mehr Fällen medizinisch eindeutig auf Kunstfehler zurückzuführen. Den verodnenden Kollegen fehlt anscheinend immer mehr die Alternative. Psychotherapieplätze reichen vorne und hinten nicht für all die gestellten Diagnosen, wenn jedes Schulproblem und jeder Liebeskummer mindestens ein Jahr psychotherapeutisch begleitet werden muß. Da sagt einem die Pharmaindustrie oder die Leitlinie der Fachgesellschaften schon, was man verordnen muß und daß man das eine Mittel gerne gegen das andere austauschen und dies und jenes ja mal ausprobieren kann. Wenn es dem Patienten damit nicht besser geht, ist das inzwischen eher der normale und für viele Therapeuten völlig zufriedenstellende Verlauf, denn eine Heilung oder ein Leben ohne Psychopharmaka ist ja nie das erklärte Ziel gewesen.

Ich sehe diese Entwicklung sehr kritisch. Vor allem in Zeiten, in denen unsere Regierung das ganze Volk systematisch unter Drogen setzen will, sollten wir kritischer mit verordnetem Substanzmißbrauch umgehen! – Oft können Gespräche mit (leibhaftig anwesenden) Freunden oder auch das neue Erlenen des Umgangs mit Frustration und negativen Gefühlszuständen vor allem aber deren gesellschaftliche Akzeptanz als zum Leben gehörend, ein potentes Antidepressivum locker ersetzen, ganz ohne Nebenwirkung und Absetzungssymptome!

Wir leben nicht in der Welt, wie sie uns die Medien, die Politik und zunehmend auch unsere Therapeuten vorgaukeln. Wir sind Menschen, wie wir es immer waren, mit Stärken und Schwächen und dem Erleben von guten und schlechten Zeiten. Und das ist gut so.
Wir sollten wieder lernen, das zu akzeptieren, dann fällt uns vieles leichter.

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